„Arctic Awakening“ auf der MS Nordkapp

Volle Kraft voraus dem Frühling entgegen

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Faszinierende Landschaften lassen sich auf den Hurtigruten entdecken. Foto: Emmerich

Weit und breit sind noch keine anderen Mitreisenden zu sehen, als ich morgens kurz vor neun den Hurtigrutenanleger Kirkenes erreiche und direkt das Einlaufen „meines Schiffes“ verfolgen kann: Von Geisterhand öffnen sich nach dem Verzurren der MS Nordkapp die Luken – vorne seitlich die für die Passagiere, weiter hinten die für die Autos und Fracht. Die erste Person, die von Bord kommt und mich schon mit einem strahlenden „Hei, god morgen“ begrüßt, ist Reiseleiter Johan Pearson. Er ist nicht nur die gute Laune in Person, sondern auf dieser Tour Ansprechpartner für alle Passagierfragen, Koordinator, Vermittler, Bordinformation und Einweiser.

Während meine Mitreisenden auf der südgehenden Tour mit den Hurtigruten gegen Mittag an Bord des 1996 gebauten Traditionsschiffes kommen, unternehme ich schon mal mit den bisherigen Gästen den Ausflug zur russischen Grenze. Das ist der Vorteil der „Postschiff“-Reise – man kann täglich an eine der 34 seine Reise beginnen und diese individuell zusammenstellen. So starte ich also am Wendepunkt der von Bergen – Kirkenes – Bergen verlaufenden Tour. Outdoor-Erlebnisse, Natur pur, Kontakt mit Land und Leuten erwarten mich auf der bevorstehenden sechstägigen Fahrt – und ein völlig anderes „Kreuzfahrt-Konzept“.

Der Besuch des Schneehotels, verbunden mit dem Husky-Abenteuer in Form einer Schlittenfahrt, wäre ein genialer Start meiner Reise durch die Jahreszeiten entlang der norwegischen Küste gewesen, doch leider war es dafür in den letzten Tagen zu warm und es gab nun nicht mehr genug Schnee. Der Alternativausflug ist nur ein schwacher Ersatz: Nach dem Besuch der Grenzstation Storskog zwischen Norwegen und Russland sowie der Bergbaustadt Bjørnevatn fällt aufgrund des diesigen Wetters der Besuch des Långfjordes aus. Der russische Markt, der jeden letzten Donnerstag im Monat in Kirkenes stattfindet, hat sich ebenfalls im Regen aufgelöst, sodass uns neben dem Blick vom Berg Prestfjellet auf Kirkenes nur ein Gang durch die Anders-Grotte, einem 400 m langen in den Fels gesprengten Tunnel zwischen Stadtzentrum und Hafen, bleibt.

Wieder mit dem Bus am Schiff angekommen, teilt sich die Gruppe: Ein Teil der Reisenden tritt den Weg zum Flughafen an, während die Übrigen sich mit mir auf die mehr als 2.400 Kilometer lange Stecke entlang der abwechslungsreichen Küste Norwegens mit der MS Nordkapp dem Frühling entgegen von Kirkenes nach Bergen begeben. Das Einschiffen verläuft schnell und reibungslos, schließlich liegen alle Passagierdaten von der Buchung in Deutschland im neuen Bordsoftwareprogramme Fidelio Cruise vor. Darüber hinaus will man den Passagieren das Konsumieren an Bord so einfach wie möglich machen: Wer beim Einchecken seine Kreditkartendaten einlesen lässt, kann während des Aufenthalts bequem alles mit der Kabinenkarte zahlen und erhält am Ende eine Sammelrechnung. Eine tolle und einfache Sache – und zur Übersicht bekommt man bei jedem Verzehr seine Quittung.

Da Sicherheit und Hygiene sehr groß geschrieben wird, gibt Reiseleiter Johann Pearson in den vier Sprachen an Bord (Norwegisch, Englisch, Deutsch und Französisch) eine Einweisung zu täglichen Abläufen beim Ein- und Auschecken in den Häfen sowie zum Verhalten in Notsituationen. Erst nach einer Demonstration, wie man Rettungsanzug und –westen, die im Erstfall von der Besatzung an den Rettungsbooten auf Deck 5 ausgegeben werden, korrekt anlegt, ist das Mittagessen im Restaurant Nessekungen angesagt. Hier verwöhnt uns Küchenchef Halvar Dahl und sein siebenköpfiges Team mit kulinarischen Genüssen in Buffetform. „Wir bieten jeden Mittag jeweils ein Fleisch-, Fisch- und vegetarisches Gericht neben einer Auswahl an sechs bis sieben Salaten, kalten Speisen, einer Tagessuppe und drei Desserts samt einem Kuchen“, erklärt der erfahrene Koch, der seit 1978 mit den Hurtigruten-Schiffen unterwegs ist und nun seit genau drei Jahren das Küchenregiment an Bord der MS Nordkapp führt. Er weiß, was seine Gäste mögen: „Die deutschen Gäste mögen und essen viel Fisch, besonders aber auch sämtliche Variationen mit Königskrabbenfleisch.“

Nun bleibt ein wenig Zeit, um das Schiff auf eigene Faust zu erkunden und mich in der Kabine einzurichten. Auf Deck 5 wartet eine Außenkabine seeseitig und nahe dem Auslaufdeck auf mich – ruhig gelegen, um nicht von An- und Ablegegeräuschen gestört zu werden, und ideal, um schnell nach draußen zu kommen und schöne Naturaufnahmen machen zu können. Wie das Bettsofa ist auch die Tür in Türkis (auf jedem Deck zur besseren Orientierung anders gestaltet) gehalten, ansonsten dominieren in der praktisch, aber eher spartanisch eingerichteten Kabine mit Dusche, WC und Fußbodenheizung, Fön und Telefon Grau- und Beigetöne. Zur Information dient ein Radio mit Infokanal, über den die Reiseinformationen und Ankündigungen des Reiseleiters zu hören sind, sowie kostenlos nutzbares W-Lan.

Vardø ist der nächste Hafen, an dem unser Schiff eine Stunde festmacht. Genug Zeit, um die östlichste Stadt Norwegens mit der 1738 erbauten Vardøhus Festung zu besuchen.
Wieder an Bord, wartet schon der nächste Programmpunkt im Außenbereich von Deck 7: Christoph Hupe (Leiter der Kongsfjord International Scuba School) und Ida Kallevik (arktische Meeresbiologin) haben diverse Pflanzen und Lebenwesen aus dem arktischen Meer – wie Tangpflanze, Drachenkopf, arktische Koralle und Seeschelde mitgebracht –
und schildern anschaulisch Lebenräume und -weisen. Die Veranstaltung ist Teil des saisonalen Bordprogramms „ArcticAwakening”, das auf die Naturerlebnisse einstimmen soll. Kommerzielles Entertainment mit Quiz, Bühnenshows und Darbietungen gibt es auf den Hurtigruten nicht. Das Bordleben zeichnet sich vielmehr durch Entspannung, regionale Besonderheiten und Naturbeobachtungen aus. Letztere genießt man am besten in der Panoramalounge „Polarsirkelen”.

Die Regionalität spiegelt sich auch beim servierten Drei-Gang-Menü am Abend, das gemäß des neuen kulinarischen Konzepts „Norway’s Coastal Kitchen“ das authentische und regionale Angebot Norwegens an Bord unterstreichen soll. Die Gerichte bestechen mit norwegischen Köstlichkeiten und saisonalen Delikatessen, deren Zutaten fast ausschließlich aus den bereisten Regionen stammen und von kleinen, lokalen Produzenten geliefert werden. So wird am Ende des ersten Seetages südgehend Königskrabbe mit Kaviar und Blinis, Rentierbraten aus der Finnmark mit Selleriepürree, Rosenkohl, Kartoffeln und Sahnesauce sowie Pavlova-Torte mit Waldbeeren serviert. Zu jedem Gang wird ein korrespondierender Wein aus der erlesenen Weinkarte empfohlen. Neben der freien Getränkewahl kann man sich auch für das Weinpaket der gebuchten Reise entscheiden. Bitte beachten: Alkohol ist in Norwegen um ein Vielfaches teurer als hierzulande!

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Regionale Produkte entlang der Hurtigrute bestimmen den Speiseplan. Wobei natürlich eine große Auswahl an Fischspezialitäten täglich geboten wird. Foto: Emmerich

Mit einer Hurtigrutenbegegnung der MS Polarlys beginnt der Morgen des zweiten Tages, dessen Highlight der Besuch von Hammerfest ist. Die nördlichste Stadt der Welt hat gleich zwei Besuchermagnete: Die Meridiansäule, die Wissenschaftler Frederik G. W. Struve aufstellte und dessen Messpunkte 2005 ins Weltkulturerbe aufgenommen wurden, sowie der Eisbärenclub. Letzterer wurde 1963 etabliert und begründete ein Museum, um die Geschichte der Eismeerstadt zu bewahren sowie Themen wie „Menschen und Naturkräfte“, „Expeditionen in die Arktis“ und „Jagd, Fischerei und Pomorhandel“ zu veranschaulichen. Der Club hat aktuell über 240.000 Mitglieder aus der ganzen Welt – und auch ich werde bei meinem Besuch ehrenhalber zu einem ernannt. Nach dem informativen Input und einer sportlichen, aber trotzdem zu kurzen Stadtbesichtigung heißt es nach 45 Minuten wieder zur Abfahrt an Bord sein – das Horn der Hurtigrutenschiffe ertönt genau zwei Mal: fünf Minuten vor und zur Abfahrt. Wer nicht rechtzeitig an Bord ist, muss sehen, wie er hinterherkommt. Das Postschiff wartet nicht. Da kann bei der sonst so gemütlichen Seereise dann schon mal Hektik ausbrechen, vor allem, wenn man aus den kurzen 15-minütigen bis maximal dreieinhalbstündigen Anlegezeiten (südgehende Tour) viel von den jeweiligen Häfen und Städten sehen möchte…

Für den Rest des Tages ist nun das Ausschau halten nach typischen Vertretern der Region wie Eissturmvögel, Komorane, Buckel- oder Schweinswale usw. angesagt. Landschaftlich reizvoll ist ein Blick auf den Øksfjordjøkulen, den größten norwegischen Gletscher nördlich der Svartisen, der beim Erreichen des Fischerortes  Øksfjord zu sehen ist. Nach dem Umfahren der nördlichen Inselspitze Slidas gelangt die MS Nordkapp bei der Inselgruppe Loppe auf eine offene, bewegte Seestrecke, bevor die Fahrt entlang des Kågs- und Grettsunds wieder ruhiger fortgesetzt wird. Dieser schönen Kulisse folgen weitere beeindruckende Felsformationen im Spiel zwischen Licht, Schatten und Nebel – so auch bei der etwa 100 km langen Gebirgskette der Lyngenalpen.

Auf dieser Strecke begegnen wir der Hurtigruten MS Vesterålen, während im Konferenzraum passend zur Fahrtstrecke ein Vogelfilm „Arctic Awakening“ zunächst in englischer Sprache, dann auf Deutsch gezeigt wird. Mit dem spätabendlichen Erreichen von Tromsø kommt wieder Bewegung in die aktuell rund 150 Passagiere an Bord. Einige hatten es sich bis dahin in ihren Kabinen, andere wiederum in der Svalbard Lounge gemütlich gemacht, wo abends mit Live-Musik für Unterhaltung gesorgt ist. Die vergangenen Stunden hatten aber auch dazu eingeladen, die geschlechtergetrennte kleine Sauna zu nutzen und anschließend vom Whirlpool aus die vorbeiziehende Landschaft zu genießen. Kleines Manko dabei: Wer beides verbinden will, muss einmal quer durchs Schiff – vom Bugbereich auf Deck 2 zum Außenbereich im Heck des Deck 6.

Mit Ankunft in Tromsø beginnen die ausflugsintensivsten 24 Stunden an Bord der MS Nordkapp. Den Auftakt macht bei strömenden Regen die fast festlich erleuchtete Stadt, die früher Ausgangspunkt von Fridtjof Nansens und Roald Amundsens Expeditionen war, sich zum bedeutenden Schifffahrtsstandort Nordskandinaviens entwickelte und als nördlichste Universitätsstadt der Welt mit zahlreichen Kneipen gilt. Während die einen auf eigene Faust das Nachtleben innerhalb von zwei Stunden erkunden wollen, haben wir die Tour zur Eismeerkathedrale mit mitternächtlichem Konzert gebucht. Allein das Gebäude ist faszinierend: Es erinnert an ein Trockenfisch-Gestell, hat an der Ostseite ein 140 m² großes Glasmosaik, das die Wiederkunft Christi darstellt, und eine fantastische Akustik. In dem mit Kerzen geschmückten Raum lauschen wir modernen, klassischen und sakralen Stücken norwegischer Komponisten – vorgetragen von Sopranistin Anne-Berit Buvik, Georgy Ildeykin (Violincello) und Tore Nedgård (Klavier und Orgel). Zu einem unvergesslichen Hörgenuss wird dabei das nordnorwegische Lied „E du nord“ von Kari und Ola Bremnes sowie Edvard Griegs „Solveig sang“.

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Eismeerkathedrale bei Nacht. Foto: Emmerich

Nach einer kurzen Nacht sind die Passagiere gerüstet für das Insel-Ausflugsprogramm. Um 8.00 Uhr erreichen wir Harstad, die auf den beiden Inseln Grytøya und Hinnøya liegende Kulturgemeinde des Nordens, deren Wirtschaftswachstum der verstärkten Erdölförderung in der Region zu verdanken ist. Hier beginnt der gut viereinhalbstündige Ausflug „Inselwelt der Vesterålen“, bei dem die abwechslungsreiche Geschichte und die wunderschöne Landschaften der nordöstlich der Lofoten liegenden fünf Vesterålen-Inseln im Vordergrund stehen. Nach einer kleinen Busrundfahrt in Harstad halten wir auf der Halbinsel Trondenes mit mittelalterlicher Kirche, altem Tingplatz und historischem Zentrum, während unsere MS Nordkapp ihren Kurs Richtung Risøhamn nimmt. Weiter geht es für uns über die Insel Hinnøya nach Kvæfjord, vorbei an Skigebieten, Fjorden, schroffen Bergen und landwirtschaftlichen Feldern, Elchen und Fischzuchten. Während der kurzen Fährüberfahrt von Refsnes nach Flesnes über den Gullesfjord können wir auch norwegische Leckereien verkosten: Waffeln mit Gudbrandsdalen Karamell-Käse sowie feines Sandkuchengebäck. Zeitgleich mit der MS Nordkapp kommen wir in Sortland, der „blauen Stadt“ und Zentrum der Vesterålen mit Hauptquartier der norwegischen Küstenwache, an, so dass wir von der Sortlandsundbrücke aus tolle Schiffsfotos machen können.

Einen gefühlten Atemzug später sind wir schon in der langjährigen Heimat der Hurtigruten – Stokmarknes. 1881 wurde hier von Kapitän Richard With die Reederei VDS (Vesteraalens Dampskibsselskap AS) gegründet, der Vorläufer der Hurtigruten-Linie. Ab diesem Hafen führte 1893 die erste Fahrt mit dem Dampfschiff Vesteraalen von Trondheim nach Hammerfest. Kein Wunder, dass hier zum 100. Geburtstag der „Schnellen Linie“ ein Museum mit Fotos, Schiffsmodellen, historischem Filmmaterial sowie der außer Dienst gestellten MS Finnmarken (Baujahr 1912) eröffnet wurde. „Wir arbeiten gerade daran, den Salon und die Kabinen im Stil von 1912 originalgetreu zu restaurieren“, berichtet Sten Engen, ehemaliger Kapitän der Hurtigruten und Leiter des privat geführten Museums. Er weiß zu allen Exponaten und Themen interessante Geschichten und Anekdoten zu berichten, sodass die Zeit auch hier wie im Flug vergeht.

Vom Sonnendeck aus bietet sich die Chance noch ein paar schöne Ansichten von Stokmarknes und Umgebung festzuhalten. Da erklingt herzhaftes Lachen und Geplätscher: Im Whirlpool auf Deck 6 hat sich eine kleine Gruppe Norweger versammelt, die ihre Tagesfahrt und dabei ihr traditionelles Bad in historischer Badebekleidung absolvieren. Schnell kommt man mit ihnen ins Gespräch…

Wie es sich für ein modernes Kreuzfahrtschiff gehört, hat auch die MS Nordkapp zahlreiche Kunstobjekte an Bord: Alle Kabinen sind mit Zeichnungen und Grafiken des nordnorwegischen Malers Karl Erik Harr ausgestattet, ebenso finden sich auf den Decks, in den Treppenaufgängen, den Aufenthaltsräumen und dem Restaurant Nessekungen Bilder des zeitgenössischen Künstlers, dessen umfangreiches Schaffen wir auch noch beim Lofoten-Ausflug kennenlernen werden.

Im Raftsund erfolgt die Ausbootung aller Passagiere, die an der Seeadler-Safari teilnehmen. Auf einem kleineren Boot geht es zunächst in den Trollfjord, wo wir auch die Einfahrt und das Wenden unserer MS Nordkapp auf engstem Raum beobachten können. Dann gilt unsere ganze Aufmerksamkeit den Seevögeln. Zunächst sind es vor allem Möwen, die uns begleiten und Jagd auf Fische machen. Sie locken aber auch die Seeadler an, die ihren Lebensraum in den steilen Felsen haben. Wie die Möwen sich auf die Fische stürzen, so sind wir Ausflügler mit Kameras und Ferngläsern bewappnet, um den besten Blick und Schnappschuss auf den König der Lüfte zu erhaschen. Unsere Ausdauer während des zweistündigen Trips wird belohnt: Vier stolze Raubvögel statten uns einen kurzen Besuch auf einen zugeworfenen Fisch-Snack ab. Zudem können wir ein Seeadler-Paar im Nest beobachten. Durch die Schären geht es dann weiter nach Svolvær, der Hauptstadt der Lofoten, wo wir auf unser Schiff treffen. Während der Einfahrt in den Hafenkönnen wir uns davon überzeugen, dass hier nach wie vor der Trockenfisch ein wichtiges Handelsgut ist: Der intensive Geruch und die außergewöhnliche Ansicht der auf dreieckigen Gestellen paarweise am Schwanz zusammen gebundenen, trocknenden Fischleibern ohne Köpfe bleibt im Gedächtnis.

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Trockenfisch ist nach wie vor auf den Lofoten ein wichtiges Handelsgut. Foto: Emmerich

In Svolvær haben die Hurtigruten-Reisenden nochmals die Qual der Wahl: Sie haben zwei Stunden zur Erkundung des Fischerörtchen und für den Besuch von Norwegens erster Eisbar mit Galerie, Magic Ice, oder können nochmals auf eine Rundreise – diesmal durch die Inselwelt der Lofoten – gehen. Um einen direkten Vergleich zwischen den noch eher unbekannten, am Morgen besuchten Vesterålen zu haben, unternehme ich mit einer 45 Teilnehmer großen Gruppe den dreistündigen Busausflug. Entlang weitläufiger grüner Weiden, Kletterfelsen, geschützten Buchten und weißen Sandstränden präsentiert sich der Archipel sehr vielseitig, während der einheimische Reiseleiter uns die Lofoten und Bedeutung des Fischfanges näherbringt. Die abwechslungsreiche Landschaft hat auch schon immer Künstler angelockt. Wie gerade bekannte lokale Maler die Schönheit ihres Archipels festgehalten haben, davon können wir uns in der „Galleri Lofotens Hus“ in Henningsvær überzeugen. Hungrig, fasziniert von all den Eindrücken und ziemlich müde, kehren wir um kurz nach 22.00 Uhr wieder in Stamsund auf die MS Nordkapp zurück. Hier bekommen wir unser spätestes Abendessen serviert – keineswegs ein kleiner Snack in der Cafeteria „Utrøst“, sondern das vollständige Drei-Gang-Menü, das auch zu vorgerückter Stunde vom freundlichen Servicepersonal aufgetragen wird.

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Abendstimmung mit Blick in den Fjord. Foto: Emmerich

Mein vierter Tag an Bord, nach der offiziellen Zählweise von Bergen aus jedoch Tag 10, wird  ein ruhiger, erholsamer Tag: Zur Frühstückszeit begegnen wir der MS Trollfjord und werden dann zur Polarkreiszeremonie auf das Außendeck 7 gebeten. Hier warten Schiffsreiseleiter Johan, Hotel-Manager Aksel Antonson sowie Oberkellnerin Randi Dervola auf uns, um die Überquerung des Polarkreises mit uns zu feiern: Während die steuerbords in Fahrtrichtung auf einer Schäre aufgestellte Weltkugel an uns vorbeizieht, gilt es zunächst einen Löffel Lebertran zu schlucken und mit einem süßen Likör nachzuspülen, um stolzer Besitzer eines Polarkreisüberquerungslöffels zu werden. Wer seinen Lieben daheim von dem Ereignis berichten will, kann im Anschluss daran beim Postbeamten an Bord seine Briefe und Postkarten mit lokalen Briefmarken und Polar-Zirkel-Stempeln versehen lassen. Mit der Tagespost geht er schließlich in Nesna wieder von Bord. Für einen Landgang lohnt sich Sandnessjøen. Hier kann man in einer halben Stunde eine Runde durch die mit vielen Skulpturen bestückte Küstenstadt an der Nordwestspitze der Insel Alsten drehen. Bei gutem Wetter hätte man anschließend einen tollen Ausblick auf die Helgelandsbrücke sowie die im Osten der Insel Alsta gelegene Bergkette der „Sieben Schwestern“ haben können. Doch die der Sage nach „versteinerte Prinzessinnen“ verstecken sich mit ihren Gipfeln (910-072 m hoch) in dichtem Nebel. So langsam wird das Wetter frühlingshafter und die Landschaft grüner – genau passend für den Besuch von Brønnøysund. Hier ist nach einem Bummel zum Freizeitgelände, zur Kirche und hinüber zur Wasserlinie mit Blick auf die Brønnøysundbrücke eine kleine Nascherei fällig: Im Hafenkontor, direkt am Hurtigrutenkai, gibt es das angeblich beste Softeis Norwegens.

Ohne große Vorankündigung findet an diesem Abend das Highlight einer jeden Kreuzfahrt auf der MS Nordkapp statt – das Kapitäns Dinner. Beim Betreten des Bordrestaurants Nessekungen werden wir mit einem Aperitif empfangen, während Kapitän Magne Johansen und seine Crew, Hotel-Manager Aksel Antonsen und Reiseleiter Johan Pearson zur Begrüßung der Gäste bereitstehen. Nach einer kurzen Ansprache und  Gesangseinlage von Johan Pearson dreht die Besatzung den Gästen zuprostend eine Runde durch das Restaurant. Der Kapitän und sein Team nehmen an der für sie reservierten Tafel Platz, die Servicekräfte kümmern sich wieder um die Gäste und servieren das Helgeland-Menü mit Garnelen aus der Provinz Nordland. Nach dem etwas anderen Abendessen legt die MS Nordkapp im Hafen von Rørvik an, wo wir eine Stunde Zeit haben, uns das Städtchen mit seinen bunten (Lager-)Häusern und das direkt neben uns ankernde Hurtigrutenschiff MS Kong Harald anzuschauen. Anstelle den Tag gemütlich bei eingehenden Gitarren- und Keyboardklängen samt Gesang in der Bar ausklingen zu lassen, entscheide ich mich für einen ruhigen Abend. Ich will schließlich am nächsten Morgen Trondheim auf eigene Faust sowie im Anschluss das Hurtigruten-Jubiläumsschiff MS Lofoten erkunden…

Wir legen zu meiner Freude bereits um 6.15 Uhr an, so dass mir zweieinhalb Stunden für die Erkundung der Stadt bleiben. Als erste gehe ich von Bord und genieße es fast ohne Zeitdruck meinem Bewegungsdrang, der sich im Laufe der Tage doch verstärkt hat, nachzukommen. Vorbei am Zollhaus, dem Rockheim und dem Hafen geht es zu den alten, auf Pfählen stehenden, bunten Lagerhäusern, hoch zur Festung und wieder den Hügel hinab über die bekannte rote Brücke zum Nidaros-Dom. Die Morgenstunden sind brillant – es besteht zwar keine Möglichkeit zum Shoppen oder in eines der netten Cafés einzukehren, doch dafür ist die langsam erwachende Stadt von ihrer schönsten Seite zu sehen und ohne Menschenmassen zu fotografieren. Vorbei am Kunstmuseum, vielen schönen, alten Jugendstilgebäuden, dem Marktplatz, der königlichen Residenz Stiftsgården und der Ravnekloa Fischhalle geht es gemütlich zurück zum Hurtigrutenkai. Für die Hurtigrutenreisenden ist es immer ein Erlebnis, eines der anderen Schiffe der Reederei zu besuchen. Daher nutzen nun viele die Gelegenheit, einen Blick auf das dienstälteste Schiff der Flotte zu werfen. Ich darf sogar bis ins Allerheiligste vordringen: Den sehr gepflegten und glänzenden Maschinenraum, der noch mit alter Gerätschaft von 1964 ausgestattet ist. Maschinist Tor Skille erklärt stolz: „Unsere Hauptmaschine läuft seit 300.000 Stunden – im Linienbetrieb ist das die längste Laufzeit der Welt.“ Die Ursprünglichkeit ist auch sonst an Bord zu spüren – ein Teil der Kabinen ist noch im Stil der Erstausstattung gehalten – mit Toiletten und Dusche auf dem Flur. Reisen mit der MS Lofoten ist eben etwas für eingefleischte Fans und Nostalgiker. Auf See wird das Schiff auch ohne moderne Stabilisatoren und Bugstrahlruder durch die Wellen manövriert. „Unsere Gäste erleben familiäre, gemütliche Atmosphäre, kommen mit der Crew in direkten Kontakt und erhalten einen intensiven Einblick in das Leben und Arbeiten an Bord”, erklärt Reiseleiter Asgeir Larsen, der auch zu berichten weiß, dass überwiegend Frauen und Schiffsfans jeden Alters mit der „Alten Lady” unterwegs sind. Der Rundgang durch das Schiff macht Lust bei einer weiteren Hurtigrutenreise hier Passagier zu sein – doch der Jubiläumsdampfer ist sehr gefragt und war für den aktuellen Reisezeitraum komplett ausgebucht. Das zweifache Tuten des Schiffshorns ruft mich an Bord meiner MS Nordkapp zurück. Da es noch knapp 24 Stunden bis zur Ankunft in Bergen sind, werden alle dort aussteigenden Gäste zu einem Informationstreffen gebeten, um das Auskannen, die Bereitstellung der Koffer sowie die weiteren Transfers zu klären. Passend zur aufkommenden Abschiedsstimmung hat sich das Wetter wieder verschlechtert. Regengrau zieht die frühlingshafte Landschaft mit weiterhin felsigen Küstenlinien an uns vorbei. Am späten Nachmittag überqueren wir nach einem kurzen Halt in Kristiansund den gefährlichsten Küstenabschnitt Norwegens, Hustadvika, der sehr seicht ist und zahlreiche kleine Inseln sowie Riffe aufweist.

Unspektakulär verläuft das letzte Abendessen an Bord. Hier und da werden Adressen ausgetauscht, man verabredet sich für einen gemütlichen Reiseausklang in der Lounge oder zum Rundgang durch Molde. Für den Spaziergang durch die Stadt der Rosen mit ihren kleinen Holzhäusern, Blumengärten und Skulpturen bleiben 45 Minuten. Ich darf in dieser Zeit auf die Brücke – was mittlerweile ein seltenes Highlight und aus Sicherheitsgründen auch nur noch im Hafen möglich ist. Hier erklärt mir Kapitän Magne Johansen sein Reich und die Sicherheitsvorkehrungen: Auf der Brücke sind immer vier Mitarbeiter, die sich im Zweischichtsystem abwechseln; auch sind stets zwei Navigationssysteme im Einsatz. In strahlendem Sonnenschein präsentiert sich am nächsten Morgen die kleine Stadt Florø, die als letzter Hafen vor Bergen angelaufen wird. Pittoreske Speicherhäuser am malerischen Kutterhafen erinnern an alte Zeiten und laden nochmals zu einem Bummel ein, bevor es zurück an Bord der MS Nordkapp ans Bereitstellen der Koffer und Frühstücken geht.

Da die Kabinen um 10 Uhr, die Suiten um 12 Uhr geräumt sein müssen, suchen sich alle Passagiere noch schöne Aussichtsplätze – in der Panoramalounge oder eben auf dem Sonnendeck, um die letzten Stunden mit Sonnenschein und abwechslungsreichem Küstenabschnitt zu genießen. Es wird nochmals durch die Bibliothek gestöbert, die deutschen, englischen, französischen, amerikanischen und norwegischen Nachrichten am Aushang verfolgt – dann kommt die alte Hansestadt Bergen in Sicht. Von Deck 5 aus verlassen die Gäste je nach den bewohnten Decks abwärts das Schiff und erhalten im Hurtigrutenterminal so auch entsprechend nacheinander die Koffer an der Bandausgabe. Beim Verlassen des Schiffes wird ein letztes Mal elektronisch ausgecheckt, doch die Bordkarte mit Namen, Reisedatum und Kabinennummer darf jeder Passagier als Andenken behalten.

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Ziel meiner Reise ist die alte Hansestadt Bergen. Foto: Emmerich

Fazit: Für alle, die in Ruhe entspannt die Küste Norwegens entdecken und lieber Natur statt nervige Entertainmentangebote an Bord erleben wollen, ist die Fahrt mit den Hurtigrutenschiffen wirklich die „schönste Seereise der Welt“, wie es so schön im Slogan der Reederei heißt. Auf dieser Küstenlinie kann jeder seine Wunschreise nach individueller Länge mit einem kleinen oder größeren Schiff unternehmen und auch in den Häfen einen Zwischenstopp einlegen. Für mich steht fest: Ich werde die Reise bestimmt noch einmal unternehmen, dann allerdings einmal nord- und einmal südgehend zu unterschiedlichen Jahreszeiten und mit einer Übernachtung in Städten wie Trondheim, Tromsø sowie Hammerfest. Auch ein längerer Aufenthalt auf den Inselwelten wäre dann reizvoll.

Eure Martina

One thought on “„Arctic Awakening“ auf der MS Nordkapp

  1. unserlebenmitemily 8. April 2016 / 14:13

    wie schööön :). Seit ich einen Bericht über diese Reise im Fernsehen gesehen habe, bin ich fasziniert davon. Ich glaube, in der kalten Jahreszeit hat diese Reise ihren ganz eigenen Reiz. Im Sommer sind ja viel mehr Touristen dort.

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